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Zu Gast in Minsk

Peter Kroh

Aktualisiert: 6. Juni 2023



Der Chor im Staatlichen Fernsehen in Minsk


Bei unserem Besuch in Minsk im Jahr 2015 sangen wir am Nachmittag des 11. Mai in der Aula der Belarussischen Staatlichen Technologischen Universität Minsk. Die örtliche Presse und TV Sender dokumentierte das Ereigniss.


Reisebericht Mittwoch – Freundschaft, Frieden, Feiern...

das waren die entscheidenden Kennzeichen der Reise des Männerchores Penzlin 1907 e.V. vom 6.5. bis zum 10.5.2015 nach Minsk. Sie kam zustande, weil unser Chor und das Ensemble ROON der Belorussischen Staatlichen Technischen Universität Minsk seit 2009 auf der Basis eines langfristigen Vertrages zusammenarbeiten. Nun folgten wir neugierig und gerne einer Gegeneinladung. Unsere Erwartungen wurden in jeder Hinsicht übertroffen! Eine Verlängerung des Vertrages wurde vereinbart, eine Einladung nach Penzlin ausgesprochen. Denn: Nur wer sich kennt, kann freundschaftlich verbunden in Frieden leben!


Mit einem Schumacher-Bus kamen wir am Mittwoch, den 6.5. nach Schönefeld. Nach den üblichen Kontrollen (bei der ein Mitglied unseres Chores vor lauter Aufregung kurzzeitig ohne Paß, Tasche und Flugschein war) und einer kurzen Busfahrt über's Rollfeld hoben wir mit einer Embraer 175 (etwa 80 Plätze) der weißrussischen Fluglinie „Belavia“ leicht verspätet um 14.15 Uhr ab und landeten nach anderthalb Stunden in der Hauptstadt der Republik Belarus.

Mit ausgefüllter Zollerklärung und dem von Dr. Paul Jahn organisierten Gruppenvisum passierten wir die Einreisekontrolle, bei der die Pässe sogar mit der Lupe betrachtet wurden. Fast alle stellten auf dem blitzblanken Flughafen notwendigerweise die Uhr eine Stunde vor.

Am Bus vor dem Flughafen empfing uns mit freundlichen Worten Pawel, unser Reisebegleiter und Dolmetscher. Wir sangen ihm zur Begrüßung „Das Lied beherrscht die ganze Welt!“, allerdings bei de Strophen, obwohl das „auseinander gehen“ noch gar kein Thema sein konnte.

Während der etwa 30 km langen Fahrt ins Hotel informierte uns Pawel, dass Weißrussland etwas mehr als 9 Millionen Einwohner hat, von denen etwas mehr als 2 Millionen in Minsk wohnen. Er nannte Maschinen- und Traktorenbau sowie die Erdölverarbeitung als tragende Industriezweige und bezifferte das durchschnittliche Einkommen mit etwa 500 bis 600 Dollar. Einige von uns staunten während der Fahrt über die vielen modernen westlichen Autos, über die guten und breiten Straßen und das viele Grün in der Stadt. [Nach den ersten Eindrücken erlebten wir Minsk auch in den nächsten Tagen als eine sehr saubere, lebendige, moderne europäische Großstadt, in der nach wie vor nicht nur viel, sondern auch mit architektonischem Einfallsreichtum gebaut wird.]

18.40 Uhr begann das reibungslose Einchecken im Hotel „Orbita“, für 19.00 Uhr war die Abfahrt zum Abendbrot fixiert. Alle saßen pünktlich im Bus, nur einer mußte geholt werden, weil seine Uhr noch Penzliner Heimatzeit anzeigte. So fuhren wir kurz vor halb acht Uhr ins Restaurant „Traktir“. Dort stand für uns eine mit Sakuski, Saft, Wasser, Wodka reichlich gedeckte Tafel bereit. Als von Speck, Zwiebeln, sauren Gurken, eingelegten Pilzen, Wurst und Brot alle genügend gegessen hatten und die Wodka-Flaschen am häufigsten erneuert waren, kam als Hauptgang Fleisch am Spieß und Kartoffelpuffer auf den Tisch.

Mit uns im Lokal waren Weißrussen und Ukrainer. Erst tanzten sie jeweils für sich. Als sie hörten, ein deutscher Männerchor sei zu Gast, durften (oder mußten?) wir zwei Lieder singen. Dann wurde gemeinsam getanzt, sowohl paarweise als auch im großen Kreis. Ein weißrussischer Gast brachte laut einen Toast auf die Freundschaft aus, die auch in so manchem Zwiegespräch auflebte. Die grosse Mehrheit des Chores bedauerte sehr, dass schon kurz vor 22 Uhr das Kommando zum Aufbruch gegeben wurde. Im leichten Regen erreichten wir den Bus und mit ihm das Hotel. Die einen gingen müde, satt und kaputt ins Bett, andere hatten noch Zeit, Kraft und Lust für einen Umtrunk in der Bar.


Donnerstag, der 7. Mai ...

begann mit Regen und einem Missverständnis zur Frühstücksorganisation. Die ersten von uns erhielten gegen 7 Uhr 15 im Speisesaal die Information, sie könnten nur gegen sofortige Barzahlung in Dollar frühstücken. Nach einigen Telefonaten mit den (noch verdientermassen schlafenden) Chefs Jaeger und Jahn wurde das Organisationsmanko behoben. Alle fuhren gesättigt, nach kurzem Warten auf einen Sänger, 10 Minuten nach 10.00 Uhr zum Museum des Großen Vaterländischen Krieges.In einer beeindruckenden, rund zweistündigen Führung erfuhren wir zahlreiche Details über Leid und Opfer der Weißrussen während des Krieges und der Nazi Besatzung. Der von Partisanen unterstützte militärische Widerstand gegen die Nazis kam besonders in der nach dem russischen General Bagration benannten Offensive der Roten Armee zum Ausdruck. Sie begann am 22. Juni 1944, auf den Tag genau 3 Jahre nach Beginn des Überfalls auf die Sowjetunion. Unmittelbares Ziel war die Befreiung von Minsk. Bald jedoch wurde daraus ein entscheidender Um-schwung des Krieges, der letztlich zum Sieg über die Hitler-Wehrmacht führte.


Wie lebendig dieser Teil der Geschichte in Weissrussland ist, erlebten wir am Nachmittag bei einer bewegenden Ehrung von Veteranen im prall gefüllten Foyer der Firma „Integral“ mit. 15 Frauen und Männer wurden zunächst mit Reden geehrt. Dann sangen Kinder, tanzten Jugendliche in Uniformen und Erwachsene überreichten Blumen und Geschenke. Eine ganz besondere Stimmung kam auf, als wir kurz vor dem eigenen kurzen Auftritt gemeinsam mit allen Anwesenden den Refrain des russischen Liedes „Пусть всегда будет солнце“ (Pust wsegda budet solnze) sangen. Die erste Strophe erzählt von einem kleinen Jungen, der ein Bild mit den Wünschen für seine Zukunft malt. Die weiteren Strophen variieren den Appell an die Erwachsenen, den Kindern zuliebe den Frieden zu erhalten. Und im Refrain heißt es jedesmal: immer solle die Sonne scheinen, immer solle der Himmel blau sein, immer solle die Mutter da sein und immer auch ich.


Sowohl mit dem feierlichen Lied „Brüder, reicht die Hand zum Bunde“ als auch mit fröhlichen Liedern konnten wir unseren Beitrag zur Ehrung der Veteranen leisten, was sowohl der Beifall als auch die Dankesworte der Verantwortlichen verdeutlichten. Mit Freude wurde quittiert, dass der Männerchor aus Deutschland, wie alle Anwesenden die „offiziellen“ rot-grünen Schleifen am Revers trug. Zustimmung und kräftiges Mitsingen erfuhr unsere Darbietung von „Я играю на гармошке“ (Ja igraju na garmoschkje)


Nach gehaltvollem Mittagessen (Suppe,Schnitzel, Kartoffelbrei) fuhren wir zur Technologischen Fakultät, wo wir gemeinsam mit der Gruppe „Roon“ in einem großen Saal vor rund 400 Gästen, zum größten Teil Studentinnen und Studenten, auftraten. Mit dem rund halbstündigen Programm, das feierliche Lieder, deutsche Volkslieder und mecklenburgtypische Songs umfasste, fanden wir ebenso Anerkennung wie mit der Interpretation des Liedes von Krokodil Gena ( Я играю на гар-мошке). (Den positivem Gesamteindruck schmälerte ein Sänger, der gegen den Willen der Chorleiterin die 4.Strophe von den „3 lachenden Mädchen“ singen wollte und erst nach den Worten „Du Schwarze“ merkte, dass er damit alleine stand.) Das Ensemble Roon begeisterte die Gäste mit ihren temperamentvollen Tänzen und Gesängen und animierte einige Sangesbrüder zum kräftigen Mitagieren. Der Nachmittag endete mit einem Stehbüffet, bei dem man neben lecker belegten Schnitt-chen auch „Ϲоветское шампанское“ (Sowjetskoje Schampanskoje) genießen konnte.

Nachdem wir uns im Hotel ein wenig frisch gemacht hatten, klang der Tag mit einem Abendbrot im Restaurant „Tоварищ“ (Towarischtsch) im Kulturhaus der Gewerkschaftsveteranen aus. Sakuski, Saft und Wodka waren anders als am Vortag, aber ebenso reichlich wie gut. Letzteres galt auch für die Blintschiki mit Pfifferlingen.


Am Freitag, den 8. Mai

absolvierten wir vormittags eine (von einem Sänger vollständig wegen übergroßer Müdigkeit versäumte) Stadtrundfahrt. Begleitet von einigen Wiederholungen zur Geschichte der Stadt zeigte uns die Stadtführerin u.a. imponierende Neubauten für Sportler und Sportveranstaltungen; den Palast der Unabhängigkeit, in dem die Abkommen zwischen der Ukraine, Russland, Frankreichs und Deutschland verhandelt wurden; den Gedenkstein für den deutschen Antifaschisten Fritz Schmenkel, der an der Seite weißrussischer Partisanen kämpfte und am 22. Februar 1944 von den Nazis hingerichtet wurde sowie eine russisch-orthodoxe Kirche. Sie informierte viel über Wohnungsbauten zu „sowjetischen und in postsowjetischen“ Zeiten. Mit dem Witz, „von diesem Haus habe man den besten Blick bis nach Sibirien“ machte sie uns auf das KGB-Gebäude aufmerksam.

Der anschließende Auftritt in der Firma „Medpräparate“ ähnelte dem vom Vortag, sowohl was unsere Lieder betraf als auch die Performance von Roon. Zum Mittag gab Borschtsch, Sakuski und Kartoffelpuffer mit Fleisch.

Anschließen waren wir zu einer rund anderthalbstündigen Wartezeit „verurteilt“, weswegen der Besuch am „Minsker Meer“ leider ausfiel. Der Bus brachte uns erst ins Hotel, dann zu einem 30-minütigen Shop-Intermezzo in einem Supermarkt mit 36 Kassen. (Dank des Einsatzes unseres Dolmetschers erhielt bei diesem Zwischenstop ein Sänger seinen Mantel zurück, den er am Vortag nach dem Museumsbesuch trotz anhaltendes Regens an der Garderobe vergessen hatte). Anschließend fuhren wir zur Firma Verniba. Nach der Besichtigung der in den Arbeitsräumen vorhandenen Nähmaschinen, lernten wir die dort hergestellte Frauenunterwäsche am lebenden Modell kennen. Am Ende der Modenschau dankte Dr. Jahn dem Firmenchef für die „schönen weißrussischen Frauen“. Ein Zuruf brachte ihn dazu, auch die Qualität der Produkte noch zu loben.

Der schon obligatorische Wodka und die erneut variierten Sakuski wurden diesmal durch Bratkar-toffeln mit eine kräftig gewürzten Bratwurst komplettiert. Für viele endete der Abend in der Bar des Hotels mit weiterem Wodka und dem einen oder anderen guten Bier.


Am Sonnabend, den 9. Mai ...

waren wir eingeladen, auf der Tribüne „D“ an der Parade zum „Tag des Sieges“ teilzunehmen. Weiträumige Absperrungen, längere Fußwege und Körperkontrollen wie am Flughafen (bei denen ein Sänger wegen des mitgeführten Taschenmessers nicht durchgelassen wurde) bewirkten, dass wir bei strahlendem Sonnenschein erst kurz vor Beginn zu der schon voll besetzten Tribüne gelangten. Bei der Parade zeigten zunächst die weißrussischen Streitkräfte moderne Militärtechnik. Danach demonstrierten Jugendliche, Sportler und Einwohner der Stadt. Anschlies-send legten einige Sänger im Namen des Chores an der Siegessäule ein Blumengebinde nieder.

Die bis zum Beginn der Zirkusvorstellung verbleibende Zeit nutzten wir individuell. Das bunte Programm im Zirkus bot artistische Leistungen, die man entweder staunend anerkennen oder distanziert ablehnen konnte.

Nach kurzem Zwischenhalt am Hotel fuhren wir ins Restaurant „Megapolis“ in der Nationalbibliothek, wo wir ein „Festtagsabendessen und -trinken“ genießen konnten. Das Ensemble Roon begeisterte erneut mit seiner Tanz- und Sangeskunst und verführte fast alle Mitglieder des Männerchores zum Mittanzen, für manchen bis zur Atemnot. Auf den Besuch der Aussichtsplattform mußten wir aus Zeitgründen verzichten. Der feuchtfröhliche Abend endete mit einem Feuerwerk.


Am Sonntag, den 10. Mai ...

war Kofferpacken und pünktliche Abfahrt angesagt. Das klappte prima. (Nur ein Sänger mußte vom Hotelpersonal erinnert werden, dass er sein Nachthemd im Zimmer vergessen hatte). Am Flughafen gab es herzliche individuelle Verabschiedungen von Pawel. Die genaue Ausreisekontrolle absolvierten wir souverän. (Nur ein Sänger hatte den Ausreise-Teil der Zollerklärung nicht mehr, ersatzweise wurde sein Hotelausweis anerkannt).

Mit gut einer halben Stunde Verspätung flogen wir mit einer Boeing 737 um 12.50 Uhr ab, stellten die Uhr eine Stunde zurück und landeten nach 1 h 45' um 13.35 Uhr in Schönefeld. In Schumachers Bus starteten wir 14.15 Uhr den letzten Teil der Reise. Nach Zwischenhalt und einem Umweg wegen eines Unfalls auf der B 96 kurz vor Fürstenberg konnten alle Sänger und die Chorleiterin zwischen 17.30 Uhr und 18.00 Uhr fröhlich-erschöpft, aber voller Eindrücke und Erfahrungen an den Punkten aussteigen, an denen sie nur vier Tage zuvor die Reise fröhlich-gespannt mit Neugier und Erwartungen begonnen hatten.


Peter Kroh, 2. Tenor
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